Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen schrumpfen, haben grundsätzlich schlechtere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. Um die betroffenen Kommunen in Zukunftsfragen zu unterstützen, bedarf es oftmals der Hilfe in Form von finanziellen Mitteln und Steuerungsmöglichkeiten sowie rechtlicher Rahmenbedingungen und Standards der übergeordneten Ebenen. Ist eine Trendumkehr unausweichlich, sollte vor Ort versucht werden, die Schrumpfung im Sinne der Nachhaltigkeit zu gestalten. Dazu gehören insbesondere der gesellschaftliche Umbau, der mit Dorfmanager:innen, Zukunftsdialogen und weiteren Beteiligungsprozessen aktiv gesteuert werden kann, sowie die Reduzierung des Gebäudeüberhangs durch Leerstand, dem mit Zwischennutzungen oder Rückbau begegnet werden kann. Dem Bevölkerungsschwund in schrumpfenden Kommunen folgt in der Regel kein angemessener Rückgang der bebauten Umwelt, wodurch sich jedoch vielfältige Chancen für die ökologische Nachhaltigkeit ergeben, auf die wiederum Bedeutungsgewinne in den Bereichen Naturschutz, Tourismus, Energieversorgung und letztlich auch Wohnattraktivität folgen können.
Empfehlung: Innovation fördern und eine nachhaltigkeitsorientierte Wirtschaft stärken
In den schrumpfenden ländlichen Kreisen ist der Anteil der Hochqualifizierten stark unterdurchschnittlich, sodass es für diese Kreise – gerade vor dem Hintergrund der Schrumpfungsprozesse in den Kommunen und den daraus resultierenden Bedarfen der Wirtschaft – wichtig ist, sich aktiv um die Ansiedlung von Hochqualifizierten und wissensintensiven Unternehmen zu bemühen. Eine Möglichkeit sind gezielte Werbemaßnahmen der Wirtschaftsförderung gemeinsam mit interessierten Unternehmen auf Jobmessen und Recruiting-Veranstaltungen. Dabei müssen die Besonderheiten des Kreises, wie z. B. attraktive Lebensbedingungen, ein interessantes Freizeitangebot oder attraktive Kinderbetreuungs- und Bildungsangebote herausgestellt und ggf. ausgebaut werden. Einige Regionen bemühen sich bereits heute gezielt und erfolgreich um Rückkehrer:innen, die nach ihren „Lern- und Lehrjahren in der Welt“ die Qualitäten ihrer Heimatregion wieder schätzen lernen.
Nachhaltige und regionale Initiativen sollten gefördert werden, um die Resilienz der lokalen Wirtschaft zu stärken. Ansätze wie die Förderung kollektiver Produktionsformen, die Unterstützung von Tauschplattformen, Repair-Cafés oder die Bereitstellung von offenen Werkstätten/Gemeinschaftsräumen für Geräte oder auch neue Finanzierungsformen (z. B. regionale Kapitalgenossenschaften) sind potenziell geeignet, neue wirtschaftliche Aktivitäten und Unternehmensgründungen anzuregen. Maßnahmen können auf zirkulären Ansätzen und regionalen Stoffkreisläufen basieren. Vor allem auf Kreisebene kann hierfür die Wirtschaftsförderung zur Unterstützung mit einbezogen werden.
Empfehlung: Bildungsnetzwerke aufbauen
Wenn möglichst früh mit der Förderung von Kindern – insbesondere mit einer potenziellen sozialen Benachteiligung – begonnen wird und auch bildungsträgerübergreifende Präventionsketten, Netzwerke und Strukturen für die Bildung aufgebaut werden, ist zu hoffen, dass sich dies positiv auf die relativ hohe Schulabbrecherquote auswirkt.
Das bereits bestehende Angebot an Tageseinrichtungen scheint durchschnittlich gut zu sein; allerdings sind die unterdurchschnittliche Versorgung mit wohnungsnahen Grundschulen und die hohe Schulabbrecherquote ein Hinweis auf Handlungsbedarf, um frühzeitig auf Bildungs- und später Erwerbstätigkeitschancen einzuwirken. Für benachteiligte Familien sind auch finanzielle Unterstützungsleistungen wichtig, welche die Zugänge von Kindern und Jugendlichen zu Sportvereinen, Schulfahrten, außerschulischen Bildungsangeboten und Lernhilfen sowie Lernmaterial verbessern.
Empfehlung: Verwaltungsübergreifende Finanzierung
Die Haushalts- und Finanzlage der ländlichen Kreise mit Verdichtungsansätzen ist meist Ausdruck der soziodemographischen Rahmenbedingungen und einer branchenspezifischen Wirtschaftsstruktur. Insbesondere die stark unterdurchschnittliche Entwicklung der Steuereinnahmen zu anderen Kreistypen ist hier der einschlägige Negativindikator. Auch wenn sich die Dynamik bei den Steuereinnahmen in dem Beobachtungszeitraum eher positiv entwickelt hat, so weist doch der Durchschnitt der ländlichen Kreise mit Verdichtungsansätzen eine Negativdynamik beim Finanzmittelsaldo auf, d. h., dass diese Kreise häufiger Haushaltsdefizite als Überschüsse erwirtschaften.
Selbst wenn es gerade in ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen immer schwierig ist, sollten Kreise dieses Typs trotzdem in ihrem Bemühen um eine Ansiedlung von Unternehmen nicht nachlassen, um auf diese Weise einer weiteren demographischen Schrumpfung entgegenzuwirken und perspektivisch ein nachhaltigeres Wirtschaftswachstum zu fördern und entsprechende Steuermehreinnahmen zu generieren. Insbesondere an die Gründungsförderung von Klein- und Kleinstunternehmen oder die Schaffung von ländlichen Co-Working-Spaces wäre hier zu denken. Als Wiedereinstiegsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt für arbeitslose und sozial schwächere Menschen ließe sich zudem über eine im Verbund mit den örtlichen Arbeitsagenturen vorzunehmende Initiierung von „Bürgerarbeitsprojekten“ (sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im gemeinnützigen Bereich, welche fair, inklusiv und nachhaltig konzipiert werden müssen), aktivierende Sozialhilfe bzw. vergleichbare Maßnahmen nachdenken (siehe auch Empfehlung „Bildungsnetzwerke aufbauen“). Dazu wäre eine verwaltungsübergreifende Zusammenarbeit und Finanzierung – ggf. auch unter Einwerbung entsprechender Fördermittel, z. B. aus Mitteln der Europäischen Sozial- und Regionalfonds und der jeweiligen Landesprogramme – erforderlich.
Zur Stabilisierung der volatilen Haushaltssituation dieses Kreistyps kann die Hebung finanzieller Einsparpotenziale durch Klimaschutzmaßnahmen einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Beitrag leisten. Insbesondere im Bereich der energieeffizienten Sanierung von z. B. Gebäuden der Kreisverwaltung und den von den Kreisen unterhaltenen Berufsschulgebäuden lassen sich mittels Contracting- und Intracting-Modellen mittel- und langfristige Einspareffekte erzielen.