Ländliche Kreise mit Verdichtungsansätzen, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen schrumpfen, haben grundsätzlich schlechtere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. Um die betroffenen Kommunen in Zukunftsfragen zu unterstützen, bedarf es oftmals der Hilfe in Form von finanziellen Mitteln und Steuerungsmöglichkeiten sowie rechtliche Rahmenbedingungen und Standards der übergeordneten Ebenen. Ist eine Trendumkehr unausweichlich, sollte vor Ort versucht werden, die Schrumpfung im Sinne der Nachhaltigkeit zu gestalten. Dazu gehören insbesondere der gesellschaftliche Umbau, der mit Dorfmanagern, Zukunftsdialogen und weiteren Beteiligungsprozessen aktiv gesteuert werden kann, sowie der Reduzierung des Gebäudeüberhangs durch Leerstand, dem mit Zwischennutzungen oder Rückbau begegnet werden kann. Dem Bevölkerungsschwund in schrumpfenden Kommunen folgt in der Regel kein angemessener Rückgang der bebauten Umwelt, wodurch sich jedoch vielfältige Chancen für die ökologische Nachhaltigkeit ergeben, auf die wiederum Bedeutungsgewinne in den Bereichen Naturschutz, Tourismus, Energieversorgung und letztlich auch Wohnattraktivität folgen können.
Empfehlung: Arme und armutsgefährdete Menschen unterstützen
Trotz positiver Entwicklungen im Beobachtungszeitraum von neun Jahren ist Armut in Familien und bei Erwachsenen in den schrumpfenden ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen ein Thema. Daher kann im Rahmen einer nachhaltigen Kommunalentwicklung dafür Sorge getragen werden, dass die negativen Folgen von Armut in denjenigen Handlungsbereichen, die im Spektrum der kommunalen Pflicht- und freiwilligen Aufgaben liegen, grundsätzlich kompensiert oder vermieden werden – auch wenn ein vergleichsweise kleinerer Anteil der Bevölkerung davon betroffen ist. Handlungsmöglichkeiten bestehen insbesondere in den Bereichen Wohnen, Wohnumfeld/öffentlicher Raum, soziale Folgen der Armut und – im ländlichen Raum von besonderer Bedeutung – auch Mobilität.
Solange in der Kommune Menschen leben, die von Armut betroffen sind, sollten diese von den kommunalen Entscheidungsträger:innen nicht vergessen werden. Möglicherweise kann hilfreich sein, kommunikative Maßnahmen zu ergreifen, um die Sensibilität für das Thema – insbesondere in der Kommunalpolitik – zu erhöhen. Sollten bereits Präventionsansätze hinsichtlich der Armut von Familien bestehen, die beispielsweise in einer guten Zusammenarbeit von Kindertagesstätten, Schulen und Familienzentren erarbeitet werden, sollten diese langfristig gesichert werden. Für benachteiligte Familien sind auch finanzielle Unterstützungsleistungen wichtig, welche die Zugänge von Kindern und Jugendlichen zu Sportvereinen, Schulfahrten, außerschulischen Bildungsangeboten und Lernhilfen sowie Lernmaterial verbessern.
Empfehlung: Bildungsnetzwerke aufbauen
Wenn möglichst früh mit der Förderung von Kindern – insbesondere von Kindern mit einer potenziellen sozialen Benachteiligung – begonnen wird und auch Bildungsträger-übergreifende Präventionsketten, Netzwerke und Strukturen für die Bildung aufgebaut werden, ist zu hoffen, dass sich dies positiv auf die relativ hohe Schulabbrecherquote auswirkt.
Das bereits bestehende Angebot an Tageseinrichtungen scheint durchschnittlich gut zu sein; allerdings könnte der Anteil an integrativen Betreuungsplätzen erhöht werden, um eine bessere Förderung von Kindern mit Behinderungen und die Entlastung deren Familien zu erzielen.
Empfehlung: Verwaltungsübergreifende Finanzierung
Die Haushalts- und Finanzlage der ländlichen Kreise mit Verdichtungsansätzen ist meist Ausdruck der sozio-demographischen Rahmenbedingungen und einer branchenspezifischen Wirtschaftsstruktur. Insbesondere die stark unterdurchschnittliche Entwicklung der Steuereinnahmen und die demgegenüber problematische Höhe des Bestandes an Liquiditätskrediten im Vergleich zu anderen Kreistypen sind hier die einschlägigen Negativindikatoren. Auch wenn sich die Dynamik bei den Steuereinnahmen in den vergangenen 10 Jahren eher positiv entwickelt hat, so weist doch der Durchschnitt der ländlichen Kreise mit Verdichtungsansätzen eine Negativdynamik beim Finanzmittelsaldo auf, d.h., dass diese Kreise häufiger Haushaltsdefizite als Überschüsse erwirtschaften.
Selbst wenn es gerade in ländlichen Kreisen mit Verdichtungsansätzen immer schwierig ist, sollten Kreise dieses Typs trotzdem in ihrem Bemühen um eine Ansiedlung von Unternehmen nicht nachlassen, um auf diese Weise einer weiteren demographischen Schrumpfung entgegenzuwirken und perspektivisch ein nachhaltigeres Wirtschaftswachstum zu fördern und entsprechende Steuermehreinnahmen zu generieren. Insbesondere an die Gründungsförderung von Klein- und Kleinstunternehmen oder die Schaffung von ländlichen Co-Working-Spaces wäre hier zu denken. Als Wiedereinstiegsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt für arbeitslose und sozial schwächere Menschen ließe sich zudem über eine, im Verbund mit den örtlichen Arbeitsagenturen vorzunehmende Initiierung von „Bürgerarbeitsprojekten“ bzw. vergleichbarer Maßnahmen nachdenken (siehe auch Empfehlung „Bildungsnetzwerke aufbauen“). Dazu wäre eine verwaltungsübergreifende Zusammenarbeit und Finanzierung – ggf. auch unter Einwerbung entsprechender Fördermittel, z. B. aus Mitteln des Europäischen Sozial- und Regionalfonds und der jeweiligen Landesprogramme – erforderlich.
Zur Stabilisierung der volatilen Haushaltssituation dieses Kreistyps kann die Hebung finanzieller Einsparpotenziale durch Klimaschutzmaßnahmen einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Beitrag leisten. Insbesondere im Bereich der energieeffizienten Sanierung von z. B. Gebäuden der Kreisverwaltung und den von den Kreisen unterhaltenen Berufsschulgebäuden lassen sich mittels Contracting- und Intracting-Modellen[1] mittel- und langfristige Einspareffekte erzielen.
[1] Innerstädtisches Contracting - auch Intracting genannt - ist ein Modell zur Finanzierung von Energie- (und Wasser)sparinvestitionen. Dieses besagt, dass die Investitionskosten für Energiesparmaßnahmen durch die dabei erzielten Kosteneinsparungen refinanziert werden. Im Gegensatz zum Contracting werden die Einsparmaßnahmen aber nicht von einem externen Dritten geplant und realisiert, sondern von einer verwaltungsintern gebildeten Organisationseinheit.