Dünn besiedelte ländliche Kreise, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen eine stabile Entwicklung aufweisen, haben grundsätzlich günstigere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. So kann der Stabilitätsbegriff immer nur auf ausgewählte Aspekte der Kreisentwicklung angewendet werden und schließt positive und negative Entwicklungen im Gesamtspektrum der nachhaltigen Entwicklung nicht aus. Zudem ist die Gruppe der Kommunen mit stabiler Entwicklung naturgemäß die kleinste, da Ereignisse in den externen Rahmenbedingungen, aber auch interne Veränderungen diesen Zustand schnell in Wachstums- oder Schrumpfungsprozesse umwandeln können. In diesem Zusammenhang kommt dem Aufbau und der weiteren Förderung von Resilienz eine besondere Bedeutung zu, d. h. die Fähigkeit des „Systems Kreis“, akute Krisen bewältigen oder sich von diesen schnell erholen zu können sowie sich kontinuierlich anzupassen. Resilienz als Standortfaktor, der vor allem (kritische) Infrastrukturen als Grundlage für gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse in den Blick nimmt, muss daher verstärkt Eingang in die politischen Agenden finden.
Empfehlung: Stärken im Bereich frühkindliche Bildung qualitativ ausbauen
Die Anzahl der in einer Tageseinrichtung betreuten Kinder unter drei Jahren und deren Entwicklung seit 2008 ist relativ hoch und sollte beibehalten werden. Eine Problematik stellt die wohnungsnahe Grundversorgung mit Grundschulen dar. Um die Bildungschancen von Kindern unabhängig von Herkunft, Bildungsstand und Einkommen der Eltern zu sichern, muss eine flächendeckende Versorgung mit Grundschulen gegeben sein. Wenn mit der Förderung von Kindern – insbesondere mit potenziellen sozialen Benachteiligungen – so früh wie möglich begonnen wird und auch trägerübergreifende Präventionsketten, Netzwerke und Bildungsstrukturen aufgebaut werden, ist zu hoffen, dass sich dies auch auf die negative Entwicklung und den vergleichsweise negativen Status der Schulabbrecherquote auswirkt. Dabei ist auch auf eine quartiersbezogene Kontextualisierung zu achten, die Stadtteile als Lernlandschaften einbezieht. Der weitere Ausbau der Ganztagsbetreuung wird als Maßnahme empfohlen, ebenso die Einbindung von Akteuren wie dem Jugendamt oder auch Wirtschaftsverbänden an sinnvollen Stellen.
Empfehlung: Stärken des Standorts für die Bindung Hochqualifizierter nutzen
Ganz generell ist der Anteil der hoch qualifizierten Arbeitnehmer:innen in peripheren Regionen und kleineren ländlichen Kreisen niedriger als in den Großstädten bzw. den Kernen der großen Agglomerationen. Das liegt insbesondere daran, dass einerseits wissensintensive Branchen und Unternehmen mit ihrem hohen Bedarf an hoch qualifizierten Arbeitskräften schwerpunktmäßig in den Ballungsräumen angesiedelt sind und andererseits die Attraktivität der Großstädte mit ihrem Kultur- und Freizeitangebot insbesondere jüngere Hochqualifizierte anzieht.
Nichtsdestotrotz haben ländliche Kreise auch Qualitäten, die gerade in den letzten Jahren auch für Hochqualifizierte wieder an Bedeutung gewinnen: Naturnähe, kurze Wege, günstiges Wohnen, soziale Einbindung und anderes mehr. Auch für wissensintensive Unternehmen, die auf hoch qualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, sind solche Faktoren wieder zunehmend von größerer Bedeutung. Allerdings ist auch wichtig, dass die relevanten harten Standortfaktoren zumindest ausreichend gegeben sind, wie etwa eine gute Erreichbarkeit sowie attraktive Flächen und Immobilien. Damit schließt sich ein Kreis: wissensintensive Unternehmen suchen hoch qualifizierte Mitarbeiter:innen und Hochschulabsolvent:innen suchen adäquate Arbeitsplätze im nahen Umfeld.
Kreise dieses Typs sollten daher aktiv um Hochqualifizierte und wissensintensive Unternehmen werben. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere FH-Absolvent:innen Wohnorte suchen, die nach Größenordnung und Zentralitätsstufe den Herkunftsgemeinden entsprechen, sind auch gezielte Werbemaßnahmen der Wirtschaftsförderung gemeinsam mit interessierten Unternehmen etwa auf Jobmessen und Recruiting-Veranstaltungen wirkungsvoll. Dabei müssen die Besonderheiten der Stadt bzw. Gemeinde und Region herausgestellt werden, wie etwa attraktive Lebensbedingungen, ein interessantes Freizeitangebot oder attraktive Kinderbetreuungs- und Bildungsangebote. Manche Regionen bemühen sich auch heute schon gezielt und erfolgreich um Rückkehrer:innen, die nach ihren „Lern- und Lehrjahren in der Welt“ die Qualitäten der Heimatregionen wieder neu schätzen lernen.