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HandlungsempfehlungenHandlungsempfehlungen für stabile kleinere Kleinstädte (G4.2)

7. Mai 2021

Kleinere Kleinstädte, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen eine stabile Entwicklung aufweisen, haben grundsätzlich günstigere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. So kann der Stabilitätsbegriff immer nur auf ausgewählte Aspekte der Stadtentwicklung angewendet werden und schließt positive und negative Entwicklungen im Gesamtspektrum der nachhaltigen Entwicklung nicht aus. Zudem ist die Gruppe der Kommunen mit stabiler Entwicklung naturgemäß die kleinste, da Ereignisse in den externen Rahmenbedingungen, aber auch interne Veränderungen diesen Zustand schnell in Wachstums- oder Schrumpfungsprozesse umwandeln können. In diesem Zusammenhang kommt dem Aufbau und der weiteren Förderung von Resilienz eine besondere Bedeutung zu, d.h. die Fähigkeit des Systems Stadt, akute Krisen bewältigen oder sich von diesen schnell erholen zu können sowie sich kontinuierlich anzupassen. Resilienz als Standortfaktor, der vor allem (kritische) Infrastrukturen als Grundlage für gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse in den Blick nimmt, muss daher verstärkt Eingang in die politischen Agenden finden.

Empfehlung: Stärken des Standorts für die Bindung Hochqualifizierter nutzen

Ganz generell ist der Anteil der hochqualifizierten Arbeitnehmer:innen in peripheren Regionen und kleineren Städten und Gemeinden niedriger als in den Großstädten bzw. den Kernen der großen Agglomerationen. Das liegt insbesondere daran, dass einerseits wissensintensive Branchen und Unternehmen mit ihrem hohen Bedarf an hochqualifizierten Arbeitskräften schwerpunktmäßig in den Ballungsräumen angesiedelt sind und andererseits die Attraktivität der Großstädte mit ihrem Kultur- und Freizeitangebot insbesondere jüngere Hochqualifizierte anzieht.

Nichtsdestotrotz haben größere Kleinstädte auch Qualitäten, die gerade in den letzten Jahren auch für Hochqualifizierte wieder an Bedeutung gewinnen: Naturnähe, kurze Wege, günstiges Wohnen, soziale Einbindung und anderes mehr. Auch für wissensintensive Unternehmen, die auf hochqualifizierte Arbeitskräfte angewiesen sind, sind solche Faktoren wieder zunehmend von größerer Bedeutung. Allerdings ist auch wichtig, dass die relevanten harten Standortfaktoren zumindest ausreichend gegeben sind, wie etwa eine gute Erreichbarkeit und attraktive Flächen und Immobilien. Damit schließt sich eine Kreis: wissensintensive Unternehmen suchen hochqualifizierte Mitarbeitende und Hochschulabsolvent:innen suchen adäquate Arbeitsplätze im nahen Umfeld.

Städte und Gemeinden dieses Typs sollten daher aktiv um Hochqualifizierte und wissensintensive Unternehmen werben. Vor dem Hintergrund, dass insbesondere FH-Absolvent:innen Wohnorte suchen, die nach Größenordnung und Zentralitätsstufe den Herkunftsgemeinden entsprechen, sind auch gezielte Werbemaßnahmen der Wirtschaftsförderung gemeinsam mit interessierten Unternehmen auf etwa auf Job-Messen und Recruiting-Veranstaltungen wirkungsvoll. Dabei müssen die Besonderheiten der Gemeinde und Region herausgestellt werden, wie etwa attraktive Lebensbedingungen, ein interessantes Freizeitangebot oder attraktive Kinderbetreuungs­ und Bildungsangebote. Manche Regionen bemühen auch heute schon gezielt und erfolgreich um Rückkehrer, die nach ihren „Lern- und Lehrjahren in der Welt“ die Qualitäten der Heimatregionen wieder neu schätzen lernen.

Empfehlung: Mit Klimaschutz aus der Vergeblichkeitsfalle des Haushalts

Die Finanz- und Haushaltslage der kleinen Kleinstädte mit stabiler soziodemographischer Entwicklung stellt sich – im Vergleich zu anderen Kommunaltypen – als sehr heterogen dar und ist dabei deutlich negativer. Dies spiegelt sich auch in der durchschnittlichen Dynamik des Finanzmittelsaldos in den vergangenen zehn Jahren wider. Um die fiskalischen Spielräume der kleinen Kleinstädte mit stabiler soziodemographischer Entwicklung zu erhalten, bedarf es deshalb detaillierter Analysen sowie mittel- und langfristiger Strategien auf der Ausgaben- und Einnahmenseite.

Um die finanziellen Handlungsspielräume der kleinen Kleinstädte zu erhöhen, bietet sich – in begrenztem Maße – natürlich immer eine Anhebung der Hebesätze auf die Grundsteuer A und B sowie die Gewerbesteuer an – auch wenn es sich dabei meist um unpopuläre Maßnahmen handelt. Aber auch die Hebung von finanziellen Einsparpotenzialen durch Klimaschutzmaßnahmen, die Ausschöpfung der rechtlich zulässigen Gebührenhöhe, eine Einführung von Lenkungssteuern im Rahmen des kommunalen Steuerfindungsrechts, die zweckgebundene Verwendung von Einnahmen (z.B. Konzessionsabgaben), eine gezielte Nutzung alternativer Finanzierungsformen (z.B. Klimaschutzfonds, Contracting, Crowdfunding etc.) sowie eine klimaschutzorientierte Ausrichtung von Konzessionsabgaben, Tarifen und Entgelten für Energie, Abfall und Wasser bieten sich als mögliche Optionen an.

Als eine ebenfalls mittel- und langfristige Investition in die Stabilisierung des eigenen Haushalts kann sich eine breite Förderung des Klima- und Umweltschutzes erweisen, bei der durch ein Zusammenspiel aus stadteigenem Klimaschutzmanagement, der Wirtschaftsförderung und der Kämmerei vor allem auf eine öffentlichkeitsorientierte Bewusstseinsbildung hingewirkt wird. Das Handeln der Städte ist dabei z. B. im Bereich der Energieeinsparung und -effizienz nicht nur auf die eigenen Liegenschaften oder Infrastrukturen beschränkt. Vielmehr kann die Kommune auch Dritte wie Unternehmen, Vereine, Bürgerinnen und Bürger vor Ort zu Energieeinspar- und Energie-effizienzmaßnahmen anregen und dadurch mittelbar zu Emissionsreduktionen beitragen. Denn wenn diese Akteure in energieeffiziente Anlagentechnik oder energetische Sanierung investieren, bringt auch dies Wertschöpfung und Beschäftigung in die Kommune, sofern lokale Unternehmen mit der Ausführung beauftragt werden. Die Bandbreite der Finanzierungsansätze ist hier groß: von der Unterstützung und/oder Kooperation mit Bürgerenergiegenossenschaften, Stadtwerken oder kommunalen Wohnungsunternehmen über das Einwerben von finanziellen Mitteln für Veranstaltungen oder Veröffentlichungen via Sponsoring bis hin zur Einrichtung von Energieeffizienz- und Klimaschutzfonds.