Springe zum Inhalt

HandlungsempfehlungenHandlungsempfehlungen für stabile kreisfreie Großstädte (K1.2)

7. Mai 2021

Kreisfreie Großstädte, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen eine stabile Entwicklung aufweisen, haben grundsätzlich günstigere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. So kann der Stabilitätsbegriff immer nur auf ausgewählte Aspekte der Stadtentwicklung angewendet werden und schließt positive und negative Entwicklungen im Gesamtspektrum der nachhaltigen Entwicklung nicht aus. Zudem ist die Gruppe der Kommunen mit stabiler Entwicklung naturgemäß die kleinste, da Ereignisse in den externen Rahmenbedingungen, aber auch interne Veränderungen diesen Zustand schnell in Wachstums- oder Schrumpfungsprozesse umwandeln können. In diesem Zusammenhang kommen dem Aufbau und der weiteren Förderung von Resilienz eine besondere Bedeutung zu, d.h. die Fähigkeit des Systems Stadt akute Krisen bewältigen oder sich von diesen schnell erholen zu können sowie sich kontinuierlich anzupassen. Resilienz als Standortfaktor, der vor allem (kritische) Infrastrukturen als Grundlage für gesellschaftliche und wirtschaftliche Prozesse in den Blick nimmt, muss daher verstärkt Eingang in die politischen Agenden finden.

Empfehlung: Mit Präventionsketten gegen Armut vorgehen

Kommunen können Armut in ihren Aufgabenbereichen zwar nicht ursachenadäquat behandeln, doch sie sind mit den Konsequenzen von Armut konfrontiert und können auf die Lebenswirklichkeit sozioökonomisch benachteiligter Menschen Einfluss nehmen. Kreisfreie Großstädte mit stabiler Entwicklung weisen beim Thema Armut insgesamt einen sehr großen Handlungsbedarf auf – sowohl im Status, als auch in der Entwicklung der vergangenen Jahre.

Es ist daher von enormer Bedeutung, eine stärkere politische Priorisierung des Themas zu erwirken. Armut ist vielerorts noch ein Tabuthema, doch es sollte gerade in diesem Kommunaltyp zentral und in ressortübergreifender Kooperation bearbeitet werden: So müssen Aspekte der Armut von Familien, der Erwachsenenbevölkerung und der älteren Bevölkerung Eingang finden in Stadt(teil)entwicklungskonzepte, Konzepten und Leitbilder zum Wohnungsmarkt, zur Integration, zur Demografie und zur sozial-kulturellen Teilhabe.

Präventionsketten, welche eine positive psychosoziale Entwicklung und das Wohlbefinden von Heranwachsenden fördern, sollten im Mittelpunkt stehen. Besonderes Augenmerk sollte auf besonders armutsgefährdete Bevölkerungsgruppen gelegt werden, etwa große Familien mit drei und mehr Kindern, Alleinerziehende, Langzeitarbeitslose und Menschen mit Migrationshintergrund. Eine differenzierte Sozialraum-Orientierung sowohl im Monitoring, als auch in der gezielten Förderung, ist mit Blick auf mögliche sozialräumliche Segregations- und Polarisierungstendenzen wichtig, da diese insgesamt zu einer Verschlechterung der Lebensbedingungen und damit zu einer Verstärkung der sozialen Ungleichheit führen können.

Empfehlung: Das Betreuungsangebot von Kindern unter 3 Jahren verbessern

Der Anteil der Kinder unter drei Jahren, die in einer Tageseinrichtung betreut werden, sollte in kreisfreien Großstädten mit stabiler Entwicklung gezielt verbessert werden, um die Bildungschancen der Kinder unabhängig von Herkunft, Bildungsstand und Einkommen der Eltern zu verbessern. Hier muss die jeweilige Kommune individuell und wiederum kleinräumig prüfen, ob bzw. wo dies vor allem durch die bessere Verfügbarkeit von adäquaten Betreuungsangeboten geschehen muss. Ergänzend sollten Maßnahmen für eine bessere Angleichung der Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern getroffen werden, da dieser Indikator einen unbefriedigenden Zustand anzeigt und sich mittelbar auch auf die Nachfrage nach frühkindlicher Betreuung auswirken sollte.

Empfehlung: Mit Nachhaltigkeitshaushalten gegen die finanzielle Krisenabhängigkeit

Die kreisfreien Großstädte verfügen über eine vergleichsweise stabile Entwicklung bei den Steuereinnahmen, weisen aber trotzdem im Vergleich zu anderen Kommunaltypen hohe Bestände an Liquiditätskrediten auf, die noch dazu meist durch eine erhebliche Varianz geprägt werden. Die Heterogenität der fiskalischen Indikatoren deutet darauf hin, dass die Haushalte der kreisfreien Großstädte insgesamt sehr konjunkturreagibel sind. Die durchschnittlich negative Dynamik des Finanzmittelsaldos und die durchschnittliche Höhe der Liquiditätskredite verweist auf diese Krisenanfälligkeit, die insbesondere infolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 ff. zu beobachten war. Allerdings gilt auch mit Blick auf die kreisfreien Großstädte, dass die individuelle Ausgangssituation in den kommunalen Haushalten jeweils auch individuelle Handlungsstrategien zur Folge haben muss.

Um die Krisenanfälligkeit der Haushalte der kreisfreien Großstädte zu stabilisieren, bietet sich als ein Ansatz die sukzessive Aufstellung von Nachhaltigkeitshaushalten an. Denn wenn im Haushalt Produktbereiche unter sozialen, ökologischen und ökonomischen Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ausgewiesen werden, muss konsequenterweise auch eine Abwägung mittel- und langfristiger Risiken für die Stadtentwicklung im Allgemeinen und die Tragfähigkeit des Haushalts im Besonderen erfolgen.

Zur Stabilisierung der volatilen Haushaltssituation dieses Kommunaltyps kann auch die Hebung finanzieller Einsparpotenziale durch Klimaschutzmaßnahmen einen kleinen, aber nicht unwesentlichen Beitrag leisten. Insbesondere im Bereich der energieeffizienten Sanierung von öffentlichen Verwaltungs- und Schulgebäuden sowie z. B. der kommunalen Straßenbeleuchtung lassen sich mittels Contracting- und Intracting-Modellen[1] mittel- und langfristige Einspareffekte erzielen.


[1] Innerstädtisches Contracting - auch Intracting genannt - ist ein Modell zur Finanzierung von Energie- (und Wasser-)sparinvestitionen. Dieses besagt, dass die Investitionskosten für Energiesparmaßnahmen durch die dabei erzielten Kosteneinsparungen refinanziert werden. Im Gegensatz zum Contracting werden die Einsparmaßnahmen aber nicht von einem externen Dritten geplant und realisiert, sondern von einer verwaltungsintern gebildeten Organisationseinheit.