Größere Kleinstädte, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen wachsen, haben grundsätzlich günstigere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. Die demographischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eröffnen in diesen Kommunen jedoch in der Regel ein Umfeld, das „neue“ Bürger:innen dazu motiviert, sich an Veränderungsprozessen zu beteiligen. Gleichzeitig können öffentliche Investitionen aufgrund der meist positiven Haushaltsentwicklung getätigt und vorangetrieben werden – nicht zuletzt aufgrund der Bevölkerungszuwächse. Dieses Wachstum der Kommunen geht jedoch nicht in jeder Hinsicht mit positiven Entwicklungen einher. Nur ein strategisch gesteuertes Wachstum kann ökologischen und sozialen Ansprüchen an eine nachhaltige Entwicklung gerecht werden.
Empfehlung: Flächenpolitik aktiv und nachhaltigkeitsorientiert gestalten
Um die mit dem Wachstum der Kommunen einhergehenden Flächenverbräuche zu reduzieren, müssen Maßnahmen getroffen werden, die eine kompakte Siedlungsentwicklung mit angemessenen Freiräumen ermöglichen.
Die Flächenindikatoren in den SDGs 11 und 15 zeigen auf, dass größere Kleinstädte im Vergleich zu anderen Städten hohe Versiegelungsraten verzeichnen, ohne dabei die Nutzungsintensität der Flächen und die Schaffung von Naherholungsflächen adäquat zu berücksichtigen.
Zum aktiven Flächenmanagement gibt es eine große Bandbreite an Instrumenten, die je nach individuellen Voraussetzungen einer Kommune entsprechend eingesetzt werden können. Diese reichen von einem politischen Grundsatzbeschluss zum Flächensparen über detaillierte Baulandkataster, Fördermaßnahmen zugunsten von Innenentwicklung und flächensparendem Bauen, interkommunale Aktivitäten wie gemeinsame Gewerbegebiete bis hin zur Durchsetzung des Baugebotes nach § 176 des BauGB. Um verdichtete, kompakte Siedlungsformen zu gewährleisten und gleichzeitig die „grüne“ und „blaue“ Infrastruktur zu stärken, spricht man auch von „doppelter Innenentwicklung“. Die Maßnahmen folgen in der Regel einer hierarchischen Logik von Vermeiden, Reduzieren sowie Kompensieren und Qualifizieren, d.h.
- Eingriffe in Ökosysteme sollten so weit wie möglich vermieden werden;
- ist dies nicht möglich ist, sollten die negativen Effekte soweit wie möglich reduziert werden;
- ist beides nicht möglich, sollten Möglichkeiten gefunden werden, wie die Auswirkungen (anderorts) kompensiert werden können und bisherige Grünflächen und Gewässer ökologisch aufgewertet und ggf. ausgebaut werden.
Aktivitäten im Bereich des Flächenmanagements weisen vielfältige Interdependenzen mit anderen Zielen der nachhaltigen Entwicklung auf. Diese betreffen insbesondere Aspekte der Daseinsvorsorge, in dem z.B. eine wohnungsnahe Grundversorgung auch mit Gesundheits- und Bildungsdienstleistungen sichergestellt werden, die wiederum einen erheblichen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten der Bürgerinnen und Bürger und damit auf die Luft- und die Landschaftsqualität haben können. Mit einem strategischen Flächenmanagement im Sinne von SDG 11 können ebenso technische Infrastrukturbedarfe und deren zumeist haushaltsbelastende Auswirkungen frühzeitig mitgesteuert werden. Als Querschnittsthema, das beinahe alle Bereiche der nachhaltigen Entwicklung berührt, bildet das Flächenmanagement in Kommunen mithin ein Schlüsselelement auf dem Weg zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung.
Empfehlung: Maßnahmen zur gesellschaftlichen Teilhabe für alle ausbauen
Damit die vergleichsweise guten Sozialstandards in großen Kleinstädten nicht absinken, müssen Anstrengungen zur Sicherung eines „guten Lebens“, insbesondere für Frauen, Kinder und Geringverdienende, weiter intensiviert werden. Die Dynamik der meisten Sozialindikatoren im Verlauf der letzten Jahre verbesserte sich zwar, stellt sich aber weniger positiv dar als in Kommunen anderer Typen.
Die sozialen Indikatoren in SDG 1 und 8 zeigen im Querschnitt dieses Kommunaltyps grundsätzlich einen soliden Status Quo mit geringen Armuts- und hohen Beschäftigungsquoten auf. Dies gilt jedoch nicht für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen. Der Anteil beschäftigter Frauen kann noch deutlich angehoben werden, zudem ist der Anteil an Aufstocker:innen noch auf einem relativ hohen Niveau und weist auf strukturelle Defizite in der ansässigen Wirtschaft hin.
Der Anteil der erwerbstätigen ALG II-Bezieher:innen steht in einem Zusammenhang mit dem Verhältnis der Beschäftigungsquoten von Frauen und Männern, weshalb gezielt Weiterbildungs-, Vermittlungs- und Beratungsangebote für Frauen und Familien geschaffen werden sollten. Da sich die Sozialindikatoren grundsätzlich positiv entwickelt haben, diese Entwicklung aber vergleichsweise gering ausgeprägt ist, wäre es auch vorstellbar, dass entsprechende Angebote bereits existieren, aber noch selten wahrgenommen werden. Um eine geringe Nachfrage nach bestehenden Angeboten zu verbessern, sollten die Sichtbarkeit und der Zugang zu Anlaufstellen und Netzwerken zur Beratung und sozialen Integration verbessert werden, um Bürger:innen mit entsprechendem Bedarf noch effektiver zu erreichen.
Empfehlung: Dauerhafte Haushaltsstabilität herstellen
Um die vergleichsweise positive Entwicklung des Finanzmittelsaldos in größeren Kleinstädten zu verstetigen, bedarf es detaillierter Analysen und mittel- bis langfristiger Strategien auf der Ausgaben- und Einnahmenseite.
Die Heterogenität der fiskalischen Indikatoren deutet darauf hin, dass die durchschnittlich positive Dynamik des Finanzmittelsaldos auf individuelle Ausgangssituationen in den kommunalen Haushalten trifft, die auch jeweils individuelle Handlungsstrategien zur Folge haben sollten.
Die positive Entwicklung der Haushaltslage in den meisten Kommunen dieses Typs sollte von den Städten genutzt werden, um im Rahmen einer nachhaltigen Stadtentwicklungsstrategie mittel- bis langfristige Investitionen in die öffentlichen Infrastrukturen in einer priorisierten Weise voranzutreiben, um die CO2-Bilanz öffentlicher Gebäude, Verkehrswege und Naherholungsflächen substanziell zu verbessern und gleichzeitig die kommunalen Finanzen dauerhaft zu stabilisieren. Investitionen in „grüne“ und „blaue“ Infrastrukturen dürften auch deshalb immer wichtiger werden, weil die dafür erforderliche Kreditaufnahme in Zukunft Sustainable-Finance-Standards genügen muss. Mit der Einführung eines sogenannten „Nachhaltigkeitshaushalts“ können Nachhaltigkeitsziele und -kennzahlen in den (doppischen) Haushalt integriert werden, so dass die Haushaltspolitik einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Kommune leistet. Ein Fokus sollte in gleichem Maße auf die Einnahmenseite gelegt werden, bei der sich trotz der allgemeinen Wachstumstendenzen des Kommunaltyps kein klares Bild abzeichnet. Es sollten die verschiedenen Steuereinnahmen der Kommune individuell und detailliert analysiert werden. Darüber hinaus können diverse Maßnahmen dazu beitragen, den finanziellen Handlungsspielraum der Kommune zu erhöhen, etwa Grundsteuer A und B, Gewerbesteuer, aber auch die Hebung von finanziellen Einsparpotenzialen durch Klimaschutzmaßnahmen, die Ausschöpfung der rechtlich zulässigen Gebührenhöhe z. B. bei der innerstädtischen Parkraumbewirtschaftung (ggf. flankiert durch die Reduzierung der Tarife im ÖPNV), eine Einführung von Lenkungssteuern im Rahmen des kommunalen Steuerfindungsrechts, die zweckgebundene Verwendung von Einnahmen (z.B. Konzessionsabgaben), eine gezielte Nutzung alternativer Finanzierungsformen (z.B. Klimaschutzfonds, Contracting, Crowdfunding etc.) sowie eine klimaschutzorientierte Ausrichtung von Konzessionsabgaben, Tarifen und Entgelten für Energie, Abfall und Wasser.