Großstädte, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen wachsen, haben grundsätzlich günstigere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. Die demographischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eröffnen in diesen Kommunen jedoch in der Regel ein Umfeld, das „neue“ Bürger:innen dazu motiviert, sich an Veränderungsprozessen zu beteiligen. Gleichzeitig können öffentliche Investitionen aufgrund der meist positiven Haushaltsentwicklung getätigt und vorangetrieben werden – nicht zuletzt aufgrund der Bevölkerungszuwächse. Dieses Wachstum der Kommunen geht jedoch nicht in jeder Hinsicht mit positiven Entwicklungen einher. Nur ein strategisch gesteuertes Wachstum kann ökologischen und sozialen Ansprüchen an eine nachhaltige Entwicklung gerecht werden.
Empfehlung: Die Folgen von Armut kompensieren und präventiv vorgehen
Kommunen können Armut in ihren Aufgabenbereichen zwar nicht ursachenadäquat behandeln, doch sie sind mit den Konsequenzen von Armut konfrontiert und können auf die Lebenswirklichkeit sozioökonomisch benachteiligter Menschen Einfluss nehmen. Bei den wachsenden Großstädten stellt Armut in allen Altersgruppen ein besonders ausgeprägtes Problem dar.
Grundlegend ist, die Kommunalpolitik für das Thema zu sensibilisieren: Armut (und im Besonderen Altersarmut) ist nach wie vor vielerorts ein Tabuthema, und es sind häufig Anstrengungen gefragt, dem Thema eine höhere Priorität zu geben – insbesondere, da bei den hier abgebildeten Indikatoren von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Der Umgang mit Armut ist eine kommunale Querschnittsaufgabe: Handlungsmöglichkeiten bestehen insbesondere in den Bereichen Wohnen, Wohnumfeld/öffentlicher Raum, Mobilität und soziale Folgen der Armut.
Ältere Menschen müssen mit unterschiedlichen Angeboten über Netzwerke, Multiplikator:innen und in der Quartiersarbeit aufgesucht werden; die Kooperation und Vernetzung zwischen Kommunalverwaltung, freien Trägern der Wohlfahrtspflege und Interessensvertretungen (wie z.B. Senior:innenbeiräten) spielt eine wichtige Rolle. Es ist zu erwarten, dass sich das Problem der Altersarmut in der Zukunft insgesamt noch verschärfen wird. Insofern ist die Prävention von und der Umgang mit bereits bestehender Kinder- bzw. Familienarmut auch dafür von besonderer Bedeutung. Hier spielen Präventionsketten, in denen Kindertagesstätten, Familienzentren, Schulen und Nachbarschaftszentren sozialraumorientiert zusammenarbeiten, eine zentrale Rolle. Besonderes Augenmerk sollte auf der Entlastung von Alleinerziehenden liegen, da diese insgesamt stärker armutsgefährdet sind. Ein kleinräumiges Sozialmonitoring kann anzeigen, welche Quartiere besonderen Förder- und Investitionsbedarf haben. Darüber hinaus können finanzielle Unterstützungsleistungen die Zugangsberechtigungen von Kindern und Jugendlichen auch beispielsweise zu Sportvereinen, Schulfahrten, außerschulischen Bildungsangeboten und Lernhilfen sowie Lernmaterial verbessern.
Förder- und Bildungsangebote für Kindern und Eltern in Familien- und Nachbarschaftszentren sowie qualitativ hochwertige Ganztagsschulangebote mit Einbindung der Schulsozialarbeit und Öffnung zum Stadtteil können ebenfalls einen Weg darstellen, um einer hohen Schulabbrecherquote zu begegnen.
Empfehlung: Bessere Beschäftigungsperspektiven für ältere Menschen
In den Jahren bis 2017 ist die Beschäftigungsquote bei den 55- bis 64-jährigen in Deutschland insgesamt deutlich angestiegen. Dies liegt u.a. am demografischen Wandel („Alterung der Belegschaften“), ausgelaufenen Vorruhestandsregelungen und einer stärkeren Nachfrage nach Arbeitskräften insgesamt. Dass diese Entwicklung in wachsenden Großstädten nicht so stark ausgeprägt ist wie andernorts, legt es nahe, dieser Bevölkerungsgruppe in der kommunalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Insbesondere für die Menschen in den rentennahen Jahrgängen – und hier wiederum bei den geringer Qualifizierten – sollte verstärkt auf eine größere Beschäftigungssicherheit bis zum Renteneinstieg hingearbeitet werden. Auch und gerade diese Menschen sollten nach einem langen Erwerbsleben an der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der Städte partizipieren können. Die Wirtschaftsförderungseinrichtungen könnten und sollten dazu mit den Unternehmensverbänden und in den Unternehmensnetzwerken – etwa im Rahmen einer Initiative „Gute Arbeit für Ältere“ – für ein gemeinsames Handeln werben. Auch Aktivitäten zu einer stärkeren Weiterbildungsförderung gerade bei älteren Menschen sollten angestoßen werden.
Empfehlung: Erhalt vor Aus- und Neubau
Um die mit dem Wachstum der Kommunen einhergehenden Flächenverbräuche zu reduzieren, müssen Maßnahmen getroffen werden, die eine kompakte Siedlungs- und Verkehrsentwicklung und eine angemessene Landschaftsqualität ermöglichen.
Die Flächenindikatoren in den SDGs 11 und 15 zeigen auf, dass wachsende Großstädte im Vergleich zu anderen Städten hohe Versiegelungsraten verzeichnen und zusätzlich die Landschaftsqualität sowie unzerschnittene Freiräume unter dieser Entwicklung leiden.
Verschiedene Maßnahmen für eine Reduzierung des Flächenverbrauchs können ergriffen werden. Diese reichen von einem politischen Grundsatzbeschluss zum Flächensparen über detaillierte Baulandkataster, Fördermaßnahmen zugunsten von Innenentwicklung und flächensparendem Bauen, interkommunale Aktivitäten wie gemeinsame Gewerbegebiete bis hin zur Durchsetzung des Baugebotes nach § 176 des BauGB. Eine Reduzierung des Flächenverbrauchs könnte weitestgehend durch eine verstärkte Innenentwicklung und die Aufbereitung und Nutzung von Brachflächen gelingen. Konkret bedeutet das, dass Siedlungsflächen und die damit verbundene Verkehrserschließung nicht weiter ausgebaut, sondern vorhandene Siedlungs- und Verkehrsflächen besser genutzt werden. Die Bundesregierung nennt dieses Vorgehen „Erhalt vor Aus- und Neubau“; Baulücken und geringfügig bebaute Grundstücke sowie falsch oder unzureichend genutzte Flächen müssen dafür beispielsweise in einem Baulandkataster erfasst werden.
Da die Landschaftsqualität in wachsenden Großstädten überdurchschnittlich an Versiegelung und geringer Vegetationsvielfalt leidet, könnten Rechtsvorschriften zugunsten besonders umweltfreundlicher Verfahren wie dem ökologischen Landbau oder anderer besonders nachhaltiger Verfahren der Landbewirtschaftung weiterentwickelt werden und rechtliche Änderungen in der Düngegesetzgebung insbesondere in der Düngeverordnung verordnet werden.