Kreisfreie Großstädte, deren Bevölkerung, Wirtschaft und/oder finanzielle Ressourcen wachsen, haben grundsätzlich günstigere Voraussetzungen als viele Kommunen anderer Typen, um Herausforderungen der nachhaltigen Entwicklung zu bewältigen. Die individuellen Voraussetzungen können dabei jedoch durch weitere strukturelle und historisch bedingte Faktoren stark variieren. Die demographischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eröffnen in diesen Kommunen jedoch zumeist ein Umfeld, das die Bürgerschaft dazu motiviert, sich an Veränderungsprozessen zu beteiligen. Gleichzeitig können und müssen öffentliche Investitionen aufgrund der meist positiven Haushaltsentwicklung – nicht zuletzt aufgrund der mit den Bevölkerungszuwächsen einhergehenden Steuermehreinnahmen – getätigt und vorangetrieben werden. Dieses Wachstum der Kommunen wird jedoch nicht nur von positiven Entwicklungen begleitet. Nur ein strategisch gesteuertes Wachstum kann ökologischen und sozialen Ansprüchen an eine nachhaltige Entwicklung gerecht werden.
Empfehlung: Die Folgen von Armut kompensieren und präventiv vorgehen
Kommunen können Armut in ihren Aufgabenbereichen zwar nicht ursachenadäquat behandeln, doch sie sind mit den Konsequenzen von Armut konfrontiert und können auf die Lebenswirklichkeit sozioökonomisch benachteiligter Menschen Einfluss nehmen. Bei den wachsenden kreisfreien Großstädten ist insbesondere die Altersarmut ein großes Problem. Grundlegend ist, die Kommunalpolitik für das Thema zu sensibilisieren: Altersarmut ist nach wie vor ein Tabuthema und es sind häufig Anstrengungen gefragt, dem Thema eine höhere Priorität zu geben – insbesondere da bei dem Indikator, mit dem der Anteil von Bezieher:innen von Grundsicherung im Alter ab 65 Jahren abgebildet ist, von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden muss. Der Umgang mit (Alters-)Armut ist eine kommunale Querschnittsaufgabe. Handlungsmöglichkeiten bestehen insbesondere in den Bereichen Wohnen, Wohnumfeld/öffentlicher Raum, Mobilität und soziale Folgen der Armut. Essenziell ist die Zusammenarbeit der Sozialverwaltung und der räumlich-planenden Verwaltung, um den Sozialraumansatz zu stärken und separate Ansätze zu entwickeln. Auch auf das Thema der Datenkompatibilität zwischen den Verwaltungen ist frühzeitig zu achten. Ältere Menschen müssen mit unterschiedlichen Angeboten – über Netzwerke, Multiplikator:innen und in der Quartiersarbeit – aufgesucht werden. Die Kooperation und Vernetzung zwischen Kommunalverwaltung, freien Trägern der Wohlfahrtspflege und Interessenvertretungen, wie z. B. Seniorbeiräten, spielt eine wichtige Rolle. Integrierte und sozialraumorientierte Konzepte sowie aufsuchende Angebote können die Teilhabe älterer Menschen verbessern, indem beispielsweise Kontaktmöglichkeiten für Senior:innen ausgeweitet werden.
Es ist davon auszugehen, dass sich die ungünstige Dynamik fortsetzen und sich das Problem der Altersarmut in Zukunft insgesamt noch verschärfen wird. Insofern ist die Prävention von und der Umgang mit bereits bestehender Kinder- und Jugend- bzw. Familienarmut ebenfalls von besonderer Bedeutung. Hier spielen Präventionsketten, in denen Kindertagesstätten, Familienzentren, Schulen und Nachbarschaftszentren sozialraumorientiert zusammenarbeiten, eine zentrale Rolle. Voraussetzung für die Arbeit in Präventionsketten ist eine „umfassende Bedarfs- und Bedürfnisanalyse“, um später passende Angebote entwickeln zu können (Richter-Kornweitz et al. 2022: 15). Die kommunale Verwaltung nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, um diese Präventionsketten zu organisieren. Besonderes Augenmerk sollte auf der Entlastung von Alleinerziehenden liegen, da diese insgesamt stärker armutsgefährdet sind. Ein kleinräumiges Sozialmonitoring kann anzeigen, welche Quartiere besonderen Förder- und Investitionsbedarf haben. Darüber hinaus können finanzielle Unterstützungsleistungen die Zugangsberechtigungen von Kindern und Jugendlichen – auch beispielsweise zu Sportvereinen, Schulfahrten, außerschulischen Bildungsangeboten und Lernhilfen sowie Lernmaterial – verbessern. Unter dem Gesichtspunkt der Umweltgerechtigkeit sollte jedoch auch die Verringerung der Luftverschmutzung angegangen werden, da einkommensschwache Bevölkerungsgruppen hiervon in besonderer Weise betroffen sind.
Förder- und Bildungsangebote für Kinder bzw. Jugendliche und Eltern in Familien- und Nachbarschaftszentren sowie qualitativ hochwertige Ganztagsschulangebote (unter Einbindung der Schulsozialarbeit und mit Öffnung zum Stadtteil) können ebenfalls einen Weg darstellen, um einer hohen Schulabbrecherquote zu begegnen. Damit wiederum kann einer späteren Erwerbslosigkeit und in der Folge auch Armut vorgebeugt werden.
Empfehlung: Betreuungs- und Bildungsangebote für Kinder ausbauen, um Beschäftigungschancen zu steigern
Eine verbesserte Betreuungssituation für Kinder unter drei Jahren kann die Erwerbstätigkeit ihrer Eltern nachhaltig fördern. Die langsame Entwicklung bei der Betreuungsinfrastruktur bis zum Jahr 2022 verdeutlicht, wie wichtig frühzeitige Investitionen in Bildungsangebote für die Kleinsten sind. Dabei ist auch auf eine quartiersbezogene Kontextualisierung zu achten, die Stadtteile als „Lernlandschaften“ einbezieht. Der weitere Ausbau der Ganztagsbetreuung wird als Maßnahme empfohlen, ebenso die Einbindung von verschiedenen Akteuren wie den Jugendämtern oder – wo sinnvoll – auch von Wirtschaftsverbänden, Kammern und Gewerkschaften. Eine umfassende Förderung von Kindern, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, dem Bildungsstand oder dem Einkommen der Eltern, sollte von Anfang an gewährleistet werden. Frühzeitige Förderung – besonders für sozial benachteiligte Kinder – sowie der Aufbau übergreifender Präventionsketten, Netzwerke und Strukturen tragen nicht nur zur besseren Bildung und Chancengerechtigkeit der Kinder bei, sondern ermöglichen es den Eltern auch, ihre beruflichen Möglichkeiten besser wahrzunehmen. So kann eine stärkere Erwerbsbeteiligung der Eltern erreicht werden, die langfristig auch positiv auf die Bildungschancen und den schulischen Erfolg ihrer Kinder wirken kann.
Empfehlung: Nutzung städtischer Brachflächen für die Schaffung von Wohnraum und Grünflächen nutzen
Trotz des Wachstums in einem bereits verstädterten Umfeld bieten sich in den kreisfreien Großstädten Chancen für die Entwicklung neuer Wohnquartiere, die den Transformationsprozess hin zu nachhaltigen Strukturen und einem attraktiven Wohnangebot für Zuziehende unterstützen können. Dazu gehört auch, verstärkt Flächen in der Stadt selbst zu entwickeln und eine Umwidmung der Nutzungszwecke vorzunehmen. So sind beispielsweise ehemalige Kasernengelände, Güterbahnhöfe, leerstehende Kirchen, aufgegebene landwirtschaftliche Betriebe und Industriebrachen Orte, die im Zuge des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturwandels ihre Funktion verloren haben und für eine Umnutzung infrage kommen. Eine bauliche Erschließung von Brachflächen als Wohnraum im Rahmen der Innenentwicklung ist eine Möglichkeit, welche die Nachnutzung von Brachen und eine möglichst geringe Neuinanspruchnahme von Flächen vereint. Weitere Handlungsansätze für Kommunen sind beispielsweise die Einrichtung von Beratungsstellen, um Wohnwünsche von Bürger:innen zu erfassen und Wohnungsanbieter zu vermitteln, aber auch Modelle wie „Wohnen für Hilfe“ oder eine soziale Wohnraumvermittlung. Da in den seltensten Fällen die geplante neue Nutzung einer Immobilie dem bestehenden Bauplanungsrecht für den Standort entspricht, sind frühzeitige kreative Lösungen in Zusammenarbeit mit den Eigentümer:innen, Investor:innen und Anlieger:innen wichtig, um dem starren Bauplanungsrecht entgegenzuwirken und eine städtebauliche Aufwertung zu fördern. Dabei muss auch auf den Naturschutz geachtet werden, um den aktuellen ökologischen Herausforderungen der Großstädte gerecht zu werden und eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen.